Dienstwagenprivileg abschaffen? Wie eine steuerliche Gleichberechtigung des Mobilitätsbudgets die Mobilitätswende beschleunigen kann

Warum von einem Dienstwagenprivileg gesprochen wird

Wie die Dienstwagenbesteuerung funktioniert

Im Rahmen einer Gehaltsverhandlung vereinbaren Firmen mit ihren Mitarbeitenden, dass sie einen Dienstwagen erhalten und ihn für private Fahrten nutzen dürfen. Die Mitarbeitenden verzichten dafür auf einen Teil ihres Gehalts und bekommen im Gegenzug eine zusätzliche Vergütung, die nicht aus Geld, sondern aus einem Auto besteht. Das wird auch Sachleistung oder geldwerter Vorteil bezeichnet.

In der Regel übernimmt die Firma für den Mitarbeitenden die Anschaffungs-, Reparatur- und Wartungskosten, häufig sogar auch die Tankkosten. Denn diese Ausgaben können Unternehmen als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen. Bei der erhaltenen Sachleistung, dem zu versteuernden geldwerten Vorteil, fallen für den Mitarbeitenden - wie beim Gehalt auch - Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträge an. Allerdings kommen hier steuerliche Anreize zum Tragen. 

Wie hoch der zu versteuernde geldwerte Vorteil letztendlich ist, lässt sich auf zwei verschiedenen Wegen ermitteln:

  1. Bei der Ein-Prozent-Regelung, auch Listenpreismethode genannt, müssen Mitarbeitende pro Monat pauschal ein Prozent des Bruttolistenpreises für den Wert der Privatnutzung veranschlagen. Bei Elektroautos sind es aktuell 0,25 Prozent, bei Plug-In-Hybriden 0,5 Prozent. Der geldwerte Vorteil aus der Privatnutzung des Dienstwagens für den Arbeitsweg wird separat angesetzt und hinzugerechnet.
  2. Bei der Fahrtenbuchmethode erfassen Mitarbeitende für jede Fahrt unter anderem den Zweck der Fahrt und Anzahl gefahrener Kilometer. So können sie berechnen, wie hoch der Anteil der privaten Fahrten an den Gesamtkosten ist. Diese Methode ist zwar aufwendiger, bildet jedoch den realen geldwerten Vorteil deutlich präziser als die Ein-Prozent-Regelung ab.

Warum oft von einem Privileg gesprochen wird

Die aktuelle Dienstwagenregelung wird als Privileg für Besserverdienende wahrgenommen, da fast ausschließlich in höheren Gehaltsklassen Dienstwagen gewährt werden. Die steuerlichen Vorteile, die sie mit der geltenden Dienstwagenregelung erhalten, wird jedoch von der Gesamtheit der Steuerzahler:innen finanziert. Daher wird die aktuelle Regelung auch Dienstwagenprivileg genannt.

Hinzu kommt: Nutzen Mitarbeitende die Ein-Prozent-Regelung und übernimmt die Firma die Tankkosten, so erhalten Dienstwagenfahrer:innen faktisch ein Auto zum „Flatrate“-Tarif, denn der Preis bleibt aus Sicht des Mitarbeitenden gleich, unabhängig davon, wie viele Kilometer monatlich privat gefahren werden. Das führt in der Regel zu einem emissionsintensivem Verhalten und privilegiert Dienstwagenberechtigte gegenüber Menschen ohne Dienstwagen. Zwar hängt der individuelle Vorteil in der Realität von vielen Faktoren ab, diverse Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass der reale Wert der privaten Nutzung durch die Listenpreismethode regelmäßig unterschätzt wird.

Ist die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs ein Beschleuniger für die Verkehrswende?

Dienstwagen und ihre Klimabilanz

Deutschland hat sich dazu verpflichtet, klimaschädliche Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Dabei kommt es vor allem auf den Verkehrsbereich an. Mit 148 Millionen Tonnen Treibhausgasen in 2022 hat der Verkehrssektor den drittgrößten Anteil an Treibhausgasemissionen in Deutschland. Er macht 20 Prozent der gesamten Emissionen aus. Das bedeutet, im Verkehr ist das Einsparpotential groß. Allerdings könnte der Verkehrssektor zum großen Hindernis werden und dafür sorgen, dass Deutschland seine Klimaziele verfehlt. Denn im Vergleich zu anderen Sektoren sind die Emissionen im Verkehrsbereich nur geringfügig und damit deutlich zu wenig verringert worden. Zwischen 1990 und 2022 konnten die Treibhausgasemissionen im Verkehr lediglich um 9,1 Prozent gemindert werden. Zum Vergleich: Die Industrie hat ihre Emissionen im selben Zeitraum um 41,1 Prozent reduziert, die Energiewirtschaft sogar um 46,1 Prozent. Aktuell gültige Sektorenziele für den Verkehr wurden verfehlt.

Einer der Hauptgründe für die schlechte Klimabilanz des Verkehrs sind fehlgeleitete steuerliche Anreize, wie beispielsweise die steuerliche Incentivierung des klassischen Dienstwagens. In Deutschland werden jedes Jahr ca. 2,6 Millionen Neuwagen zugelassen, davon werden 60 Prozent gewerblich angemeldet. Zwar werden für Dienstwagen die Daten nicht gesondert erhoben, Schätzungen gehen aber davon aus, dass der Anteil an Firmenwagen bei 20 Prozent aller Neuzulassungen liegt.

Firmenwagen werden oftmals lediglich als „Jahreswagen“ genutzt und anschließend als Gebrauchtwagen verkauft. Die Auswahl des Dienstwagens hat deshalb einen großen Einfluss darauf, welche Autos produziert, gekauft und gefahren werden. Nun setzt die aktuelle Dienstwagenbesteuerung vor allem Anreize für die Anschaffung großer und emissionsintensiver Fahrzeuge. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass das Potenzial zur Elektrifizierung und Emissionsreduzierung bislang nur wenig ausgeschöpft wird.

Darüber hinaus sind die steuerlichen Vorteile für Dienstwagen nicht nur klimaschädlich, sondern auch teuer und kosten den Staat jedes Jahr drei bis fünf Milliarden Euro

Ein Blick in die deutschen Nachbarländer zeigt, dass es anders gehen kann: In Großbritannien wird die Besteuerung bereits seit 20 Jahren an ökologische Kriterien geknüpft. Fahrzeuge mit hohen Emissionswerten werden mit über drei Prozent des Bruttolistenpreises besteuert, die Besteuerung von Plug-in-Hybriden richtet sich nach der elektrischen Reichweite. In Belgien wird in die Besteuerung unter anderem ein CO2-basierter Emissionsfaktor eingerechnet. Große und emissionsreiche Autos werden so unattraktiv. Zum Vergleich: Die Besteuerung von Dienstwagen liegt in Deutschland zwischen 0,25 Prozent und 1 Prozent.

Ist Abschaffung des Dienstwagenprivilegs die Lösung?

Wenn wir alternative Ansätze, wie das Mobilitätsbudget, steuerlich mit dem Dienstwagen gleichberechtigen, ist das Dienstwagenprivileg vermutlich nicht mehr nötig. Viele Menschen wollen bereits sich nachhaltiger und umweltfreundlicher fortbewegen. Am Ende des Tages ist es neben dem Angebot eben auch eine Frage der Kosten. Bei gleichbleibenden Kosten können die CO2-Emissionen deutlich sinken und sich noch viel mehr Menschen ermutigt fühlen zu prüfen, ob der Dienstwagen wirklich zu ihnen passt und was es stattdessen sein könnte. Denn nicht nur die Klimabilanz eines eigenen Autos ist schlecht, es steht auch 23 Stunden am Tag ungenutzt herum. In Zeiten von regelmäßigem Homeoffice sogar öfter.

Besonders in Großstädten, in denen Platz knapp ist, zeigt sich die Ineffizienz. Geteilte und alternative Mobilität ist dort nicht nur klimafreundlicher, sondern schafft auch Raum, der anders genutzt werden kann. Viele Unternehmen setzen darauf, dass Problem über die Elektrifizierung des Fuhrparks zu lösen. Aber auch individuell genutzte E-Autos haben keine bessere Auslastung, verbrauchen genauso viel Platz und in der Herstellung auch viel Energie - und die ist nicht immer grün. Als Lösung für den Fuhrpark können Unternehmen auf Corporate Carsharing setzen. Oder eben mit einem Mobilitätsbudget ihren Mitarbeitenden flexible Mobilitätsoptionen ermöglichen.

Stefan Wendering
Stefan ist Freelance Autor und Redakteur bei NAVIT. Zuvor arbeitete er bereits für Start-ups und im Mobilitätskosmos. Er ist ein Experte für urbane und nachhaltige Mobilität, Mitarbeiter-Benefits und New Work. Neben Blog-Inhalten erstellt er auch Marketingmaterialien, Taglines & Content für Websites und Fallstudien.