E-Scooter: Sind die Roller besser als ihr Ruf?

Auch wenn ihre Beliebtheit weiter zunimmt, E-Scootern haftet ein eher negatives Image an. Dabei sind Elektro-Tretroller besonders als Sharing-Angebot umstritten. Für die einen ist diese neue Mobilitätsform ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende, für die anderen ein störendes Ärgernis im öffentlichen Raum, besonders auf Gehwegen. Sie möchten die herumstehenden Roller am liebsten ganz verbieten. 

Manche Städte, darunter Paris, Barcelona und Montreal, sind diesen Schritt bereits gegangen und haben die Leihroller von ihren Straßen verbannt. Andere haben ihre Regeln angepasst oder verschärft. Doch sind E-Scooter wirklich so schlecht wie ihr Ruf oder liegt es vielmehr an der vorherrschenden autozentrierten Wahrnehmung und Aufteilung des Straßenraums? Schließlich nehmen Autos einen deutlich größeren Anteil ein und blockieren ihn für andere Verkehrsteilnehmende.

Europäische Städte verschärfen Regeln für E-Scooter Sharing-Anbieter - oder verbieten sie gleich ganz

Paris

Bevor die französische Hauptstadt den SUV den Kampf angesagt hat, haben die Pariser:innen bereits beschlossen, E-Scooter von den Straßen zu verbannen. Die französische Hauptstadt war die erste Stadt in Europa, die Leih-Tretroller erlaubt hat und ist mit dieser Entscheidung eine der ersten, die sie wieder verbietet: Seit dem 1. September 2023 gibt es in Paris keine Leih-E-Scooter mehr. Bei einer bindenden Befragung der Einwohner:innen haben sich 90 Prozent gegen die Verlängerung der Verträge mit mehreren Anbietern von E-Scootern gestimmt. Die Beteiligung an der Abstimmung war mit 7,4 Prozent jedoch sehr gering.

Brüssel

In 2022 hat Brüssel entschieden, die Anzahl der Leih-E-Scooter von über 20.000 Rollern auf 8.000 drastisch zu senken. Statt den bisherigen neun Anbietern dürfen seitdem lediglich zwei, Bolt und Dott, ein E-Scooter-Leihsystem für zunächst drei Jahre betreiben. Das Abstellen der E-Scooter ist dabei auf 1.500 sogenannte „Dropzones“ beschränkt, um Konflikte mit Fußgänger:innen zu vermeiden. Neben dem Beschluss die Zahl der Leih-E-Scooter auf 8.000 zu begrenzen, hat die belgische Hauptstadt auch beschlossen, lediglich 7.500 Fahrräder, 300 Lastenräder und 600 Roller als Sharing zuzulassen.

Barcelona

In Barcelona gibt es erst gar keine E-Scooter im Free-Floating-Sharing-Modell. Die spontane Ausleihe eines E-Scooters mittels App und QR-Code ist in der katalanischen Metropole nicht möglich. E-Scooter sind im Stadtbild und auf den Straßen dennoch präsent: Viele Einwohner:innen nutzen private Roller, um zur Arbeit zu fahren oder das Kind in den Kindergarten zu bringen. Wer sich einen E-Scooter ausleihen möchte, muss diesen für mindestens einen ganzen Tag bei ausgewählten Anbietern oder Fachgeschäften mieten und dort auch wieder abgeben.

Berlin

Auch viele deutsche Städte passen die Regeln für E-Scooter an oder verschärfen sie. Was auch ein Folge davon ist, dass die Vorschriften in der Vergangenheit mit der Entwicklung der Mikromobilität und von Sharing-Diensten nicht Schritt halten konnte. So will Berlin die Anzahl der erlaubten Free-Floating-Leihroller innerhalb des S-Bahn-Rings von 25.000 auf 19.000 reduzieren und verpflichtet zudem die vier in der Hauptstadt aktiven Anbieter Bolt, Lime, Voi und Tier, ihre Nutzungsdaten auf einer Plattform zu teilen. Außerdem sollen die Anbieter gefährlich abgestellte E-Scooter beseitigen und die Situation kontrollieren. 

Das Abstellen der Leihroller ist in Berlin aktuell noch – wie bei Fahrrädern – überall erlaubt, solange niemand behindert wird. Dennoch hat die zuständige Senatsverwaltung Parkverbotszonen ausgewiesen. 

Studien zu E-Scootern sind uneindeutig

Ob (falsch) abgestellte E-Scooter wirklich ein großes Problem in dichten Innenstädten darstellt ist fraglich. Zwar können allein in Berlin circa 54.000 geteilte Elektrokleinstfahrzeuge, also E-Scooter, Leihräder oder E-Mopeds, ausgeliehen und im öffentlichen Raum abgestellt werden. Allerdings sind in der Hauptstadt auch 1,24 Millionen Autos zugelassen und der Platzbedarf von parkenden Autos kann als viel größeres Problem betrachtet werden als der Raum, der von E-Scootern blockiert wird. Denn auf einem Parkplatz, auf dem ein Auto abgestellt wird, passen 20 Leihroller. Hinzu kommt, dass auch Autos fast überall abgestellt werden dürften und das als „Normalzustand“ toleriert wird. Der Preis für einen Parkplatz ist in deutschen Städten immer noch deutlich zu gering im europäischen Vergleich und in Anbetracht der Kosten, die Kommunen haben, um einen Parkplatz in Stand zu halten.

Was die Nachhaltigkeit und Klimabilanz der Roller betrifft, ist die Studienlage jedoch nicht eindeutig. Zwar widerlegen zwei neue Studien den Mythos, dass die Mikromobilität weder den Autoverkehr verringert noch mehr Emissionen reduziert als die Verkehrsmittel, die sie ersetzen soll. So fanden Forschende des Fraunhofer-Instituts heraus, dass E-Scooter in allen untersuchten Städten, einschließlich Paris, die CO2-Emissionen der urbanen Verkehrssysteme deutlich reduzieren. Doch es gibt auch Studien, die eher zu einem gegenteiligen Schluss. So hat eine Untersuchung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ergeben, dass Fahrten mit geteilten E-Scootern oftmals keine Autofahrten ersetzen, sondern Wege zu Fuß, mit dem Rad oder ÖPNV, womit geteilte E-​Scooter unter dem Strich dem Klima eher schaden würden. 

Klar ist: E-Scooter sind nur dann umweltfreundlich, wenn sie Auto- oder Motorrad-Fahrten ersetzen und es zu keinen weiteren zusätzlichen Fahrten mit kraftstoffbetriebenen Fahrzeugen kommt. Werden Fußwege oder Fahrten mit dem Fahrrad durch E-Scooter ersetzt, ist das schlecht für Umwelt, ⁠Klima⁠ und Gesundheit. 

Stefan Wendering
Stefan ist Freelance Autor und Redakteur bei NAVIT. Zuvor arbeitete er bereits für Start-ups und im Mobilitätskosmos. Er ist ein Experte für urbane und nachhaltige Mobilität, Mitarbeiter-Benefits und New Work. Neben Blog-Inhalten erstellt er auch Marketingmaterialien, Taglines & Content für Websites und Fallstudien.