Verkehrswende auf dem Land: Das Taxi für die letzte Meile?

Schöne neue Welt der Mobilität: Mit der U-Bahn zum Berliner Hauptbahnhof, im ICE nach Köln, dort per App mit Carsharing oder Ride-Sharing ans Ziel. In der Stadt auf das eigene Auto zu verzichten ist nicht schwer. Egal, ob ÖPNV, Carsharing oder Sharing-Angebote wie E-Roller und E-Bike, Alternativen gibt es genug. Auf dem Land wird das schon schwieriger. Wie kann hier die Verkehrswende aussehen? 

Auf dem Land hat fast jeder, der einen Führerschein besitzt, auch ein Auto. Hier sind die Entfernungen groß. Der Bus fährt seltener und wer umsteigen muss, braucht Geduld. Ein eigenes Auto verspricht hier vor allem Freiheit und Flexibilität. In ländlichen Räumen kommen so in vielen Gemeinden 700 Autos auf 1000 Einwohner. Das bedeutet, statistisch gesehen hat jeder Fahrfähige mehr als zwei Autos zur Verfügung. Diese Menschen steigen nicht einfach in den Bus, wenn der Landkreis mehr Busse einsetzen würde.

Konkurrenzfähige Alternativen müssen schnell, günstig und bequem sein. Gleichzeitig muss das Angebot so gestaltet sein, dass es inklusiv alle Personengruppen mitnehmen kann sowie kosteneffizient und bedarfsorientiert die Haushalte klammer Kommunen nicht zu sehr belastet. Da stellt sich die Frage, ob der Nahverkehr überhaupt noch mit Bussen und Bahnen zu betreiben ist oder ob auf dem Land nicht andere Möglichkeiten nötig sind, um den CO2-Ausstoß zu minimieren.

Schließlich will die Bundesregierung die Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 deutlich reduzieren. Und den größten Teil davon verursacht der Straßenverkehr, vor allem Autos und Lkw. Wie kann die Mobilität auf dem Land nachhaltiger werden? Während Großstädter über den nachhaltigsten Mobilitätsmix der Zukunft diskutieren, stellt sich für Menschen auf dem Land diese Frage oft erst gar nicht. Vernünftige Alternativen zum Auto gibt es hier selten. Menschen steigen aber erst um, wenn es zuverlässige und günstige Angebote gibt. 

Letzte Meile ist auf dem Land oft weit

Gerade zu Randzeiten sind die Angebotslücken groß. Der letzte Bus zum Bahnhof fährt oftmals bereits vor 18 Uhr. Wer auf dem Land abends noch weg will oder besonders abgelegen wohnt, hat es schwer. Dabei würden wohl mehr Menschen den ÖPNV nutzen, wenn er auch später führe. Doch selbst wenn man die Bahn noch erwischt, bleibt der Weg von der Halte­stelle bis nach Hause und diese Strecke ist oft lang. Hier fehlt es an ­Angeboten. 

Öffentlicher Verkehr auf Nachfrage

Wie kann das Angebot aussehen? Neben der Fahrradstation am Bahnhof oder stationsgebundenen E-Scooter- oder Carsharing-Diensten können vor allem On-Demand-Angebote helfen. Statt großer Linienbusse, die nach festgelegten Zeiten abfahren, können kompakte Autos in der Art von Taxis, die man zu günstigen Konditionen oder im Abo per App buchen kann, die Zukunft des öffentlichen Verkehrs auf dem Land sein.

Denn mehr Busse sind nicht die bessere Lösung. Auch der zusätzliche Bus, wenn er mal kommt und zudem elektrisch ist, wird keine Fahrgäste befördern, weil diese Fahrgäste mit ihrem Leben ganz woanders sind. Es braucht hingegen ein Angebot, was die Menschen von der Tür abholt und dorthin fährt, wo sie hin wollen. Diese Fahrdienste müssen so gestaltet sein, dass sie die Fahrgäste gebündelt, also nicht jeden Einzelnen, abholt. Das sind On-Demand-Verkehre, bei denen wirklich ein Auto kommt. Wenn da fünf Menschen in einem Auto mitfahren, ist das schon besser als fünf Menschen in fünf Autos.

Taxis als ÖPNV-Angebot klingen sehr teuer. Wie soll das finanziert werden?

Auch der Bus, wie er derzeit unterwegs ist, kostet viel Geld. Experten gehen davon aus, dass ein Kilometer im klassischen konventionellen Dieselbus, inklusive der Systemkosten, etwa 3,50 Euro kostet. Das Taxi kostet pro Kilometer jedoch nur 2,90 Euro. Die Förderung des Taxis über den ÖPNV-Tarif wäre damit günstiger, als einen Bus herumfahren zu lassen. Denn der Bus ist nur kosteneffizient, wenn er ausgelastet ist und das ist er in der Regel auf dem Land nicht, außer im Schulverkehr. Im Moment fahren überwiegend Menschen mit dem Bus, die keine Alternative haben. Das sind Schüler:innen und Auszubildende oder Menschen, die keinen Führerschein haben.

Für die Verkehrswende auf dem Land bedeutet das: Um die Menschen aus ihren eigenen Autos herauszuholen, braucht es das bessere Auto als flexibel organisiertes Angebot. Das heißt, sie werden wie mit dem eigenen Auto dann abgeholt, wenn sie das möchten. Das Ziel ist beispielsweise ein großer Busbahnhof oder Bahnhof, von wo die Menschen weiter zum nächsten Bahnhof in die Großstadt fahren können. 

Für den großen Bedarf an Taxis kann es in wenigen Jahren bereits Lösungen geben: Sogenannte Robo-Taxis, die in den USA und in China bereits alltägliche Fahrten unternehmen. So kann der ländliche Raum von Autos bedient werden, die gar keine Fahrer:innen mehr haben. 

Stefan Wendering
Stefan ist Freelance Autor und Redakteur bei NAVIT. Zuvor arbeitete er bereits für Start-ups und im Mobilitätskosmos. Er ist ein Experte für urbane und nachhaltige Mobilität, Mitarbeiter-Benefits und New Work. Neben Blog-Inhalten erstellt er auch Marketingmaterialien, Taglines & Content für Websites und Fallstudien.